32. SONNTAG im Jahreskreis

8. Nov. 2015

 

Lesungen: 1 Kön 17,10-16 / Mk 12,41-44

 

Gedanken zu den Lesungen

 

In einer Gesprächsrunde im Fernsehen sprach ein bekannter Österreicher über die aktuelle Flüchtlingshilfe. Dabei erinnerte er an Flüchtlingsbewegungen in der Vergangenheit, z.B. nach dem Ungarnaufstand in den 50-er Jahren: Direkt an der Grenze wurde von den Menschen, die dort wohnten, tausenden Flüchtlingen geholfen. Und dann kam die Feststellung: „Diese Helfer waren selbst arm, hatten selbst nichts. Aber sie waren bereit, das Wenige, das sie hatten, zu teilen!“ Und er fügte hinzu: „Das ist gerade das Problem heute: Viele sind nicht bereit aus ihrem Überfluss zu teilen!“ Ist das nicht der Kern der heutigen biblischen Lesungen?

In der alttestamentlichen Lesung und im Evangelium ist von einer armen Witwe die Rede. In der Bibel kommen Witwen ziemlich oft vor, besonders in der Redewendung: „Der Herr, euer Gott schafft Recht den Waisen und Witwen“. Witwen sind Musterbeispiele für Hilflosigkeit und Bedürftigkeit, gesetzlich ungeschützt und wirtschaftlich unversorgt. Sie lebten unter dem Existenzminimum, konnten als Frauen auch keinen Beruf ausüben. Und wenn sie keinen Sohn hatten, waren sie in der Gesellschaft verloren. Keine Versorgung, kein Beistand, keine Zukunft. Von der Hand in den Mund sagen wir.

Gerade bei so einer Witwe ist der Prophet Elija zu Gast. Durstigen etwas zu trinken zu geben, gehörte im Alten Orient zu den ersten Pflichten der Gastfreundschaft. Etwas zum Essen anzubieten ist gleichsam die zweite Pflicht. Diese Witwe befindet sich in einer absolut existentiellen Notsituation. Trotzdem teilt sie mit dem Propheten die letzte Nahrung, die sie noch hat.

Im Evangelium befindet sich eine Witwe im Tempel von Jerusalem. Vor den Schatzkammern des Jerusalemer Tempels standen 13 Opferstöcke: 12 für die Tempelsteuer, Pflichtabgaben, die Opfergaben etc. Der diensthabende Priester nahm das Geld entgegen, fragte nach dem Verwendungszweck, prüfte es und warf es dann in den entsprechenden Opferstock. In den 13. Opferstock warf man die freiwilligen Gaben. In aller Stille spendet die Witwe hier ihre Gabe: zwei kleine Münzen, die damals "Lepta" hießen. Das entspricht etwa dem Lohn eines Tagelöhners und dürfte für den allernotdürftigsten Lebensunterhalt einer vierköpfigen Familie gereicht haben. Die Frau gibt also alles, was sie an diesem Tag zur Verfügung hat und hat dabei nicht das Bewusstsein, etwas Großes getan zu haben. Im Gegensatz zu denen, die einen Teil des Überflusses abgeben, gibt sie "alles".

Jesus lobt diese bescheidene, arme Frau. Wichtig ist für ihn die innere Einstellung, die Bereitschaft von dem zu teilen, was man hat. Die anderen Spender im Tempel geben von ihrem Überfluss. Sie können es sich leisten, es tut nicht weh.

Hier denkt man unwillkürlich an die "Spendengalas", die im Fernsehen live übertragen werden. Große Checks mit großen Beträgen werden von Firmen gespendet, denen das aber nicht weh tut und die dadurch auch noch Werbung für sich machen und das Geld von der Steuer abziehen können. Jesus lobt eine Frau die spendet, obwohl sie am Hungertuch nagt!

Was haben die beiden gemeinsam? Bei ihnen fällt das Gottvertrauen auf - und dass das alles für sie selbstverständlich ist. Diese innere Einstellung wird gelobt.

Jesus möchte, dass wir großzügig miteinander teilen. Dabei geht es nicht nur um materielle Mittel, um Geldspenden, sondern auch um die Zeit und die Aufmerksamkeit, die wir einander schenken, um unsere Talente, die wir zum Wohl anderer einsetzen. Wir sollen nicht nur von unserem Überfluss abgeben, sondern auf unsere Reserven zurückgreifen, wenn es einem anderen hilft.

Es kommt nicht darauf an, wie viel wir tun, sondern wie viel Liebe wir in das legen, was wir tun,“ hat Mutter Theresa einmal gesagt. Jesus will nicht etwas von dir, er will dich selbst.

 

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